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Wege aus der Stagnation – (wie) kann die Wirtschaftspolitik bessere Rahmenbedingungen schaffen?

Clemens Fuest, Fritzi Köhler-Geib, Klaus Borger, Philipp Scheuermeyer, Achim Truger, Karl Haeusgen, Friedrich Heinemann, Ulrich Kater
ifo Institut, München, 2024

ifo Schnelldienst, 2024, 77, Nr. 06, 03-24

Für Clemens Fuest, ifo Institut, ist die Debatte über die Probleme des Standorts Deutschland durchaus berechtigt. Die Wirtschaftspolitik müsse handeln, wenn sie dem Rückgang der Wirtschaftskraft und damit auch des Wohlstands in Deutschland entgegenwirken wolle. Zu den relevanten Themen gehörten eine Senkung der Steuerbelastung, Bürokratieabbau, höhere und stetigere Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, eine angemessene Energieversorgung und bessere Anreize für Erwerbsfähige, tatsächlich zu arbeiten.

Fritzi Köhler-Geib, KfW Bankengruppe und KfW Research, Klaus Borger und Phillipp Scheuermeyer, beide KfW Research, untersuchen die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands anhand einer klassischen Produktionsfunktion, erweitert um Energieversorgung und staatliche Rahmendbedingungen und internationale Abhängigkeiten. Deutschland sei weder kranker Mann Europas noch Superstar, sondern liege im Mittelfeld. Dennoch sei der Handlungsdruck, auf Stärken aufzubauen und die Schwächen in den Griff zu bekommen, hoch, weil andere Wirtschaftsräume ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern.

Seit geraumer Zeit werden angesichts der anhaltenden Wirtschaftskrise Forderungen nach einer angebotspolitischen Wende und (Unternehmen-)Steuersenkungen laut. Achim Truger, Universität Duisburg-Essen und Sachverständigenrat Wirtschaft, argumentiert dagegen, dass allgemeine Unternehmensteuersenkungen selbst aus angebotspolitischer Sicht nicht das Mittel der Wahl seien, weil sie in Konkurrenz zu anderen potenziell wirksameren Maßnahmen stünden und es zudem auf gezielte Investitionen in die Klimaneutralität ankäme. Für den Standort Deutschland käme es zentral auf die Mobilisierung von finanzpolitischen Spielräumen an, die nachfrageseitig eine restriktive Finanzpolitik verhindern und gleichzeitig angebotsseitig gezielte Investitionen ermöglichen.

Aus Sicht von Karl Haeusgen, Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, passiere in Deutschland eine schleichende Erosion der Basis des freien marktwirtschaftlichen Unternehmertums in einem sich zunehmend verschärfenden wettbewerblichen Umfeld. Im Ergebnis würden Neuinvestitionen überwiegend nicht mehr im Heimatmarkt, sondern auf ausländischen Märkten getätigt. Um diese Entwicklung zu beeinflussen und wieder mehr gut begründbare Investitionen in Deutschland anzukurbeln, brauche es fundamentale Änderungen der politischen Weichenstellung. An erster Stelle müssen die bürokratischen Belastungen abgebaut werden.

Angesichts der Standortnachteile greifen aus Sicht von Friedrich Heinemann, ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung und Universität Heidelberg, aktuelle punktuelle Reformen wie das Wachstumschancengesetz oder Überlegungen zu einem subventionierten Industriestrompreis zu kurz und seien nicht erfolgversprechend. Deutschland bräuchte ein breites Reformpaket, das vier Elemente umfasse: die umfassende Mobilisierung des Faktors Arbeit, die Neuausrichtung des Abgabensystems in Richtung Investitions- und Beschäftigungsimpulse, die Priorisierung von Zukunftsausgaben in den öffentlichen Haushalten und eine durchgreifende Entbürokratisierung und Effizienzsteigerung staatlichen Handelns, insbesondere, aber nicht nur in der Klimapolitik.

Ulrich Kater, DekaBank, zieht einen Vergleich mit dem letzten Reformstau in den 1990er Jahren. Damals bestand ein eindeutiges Problemprofil mit zweistelligen Arbeitslosenquoten, während die gegenwärtige Standortdebatte an den vielen Problemkanten, aus denen die gegenwärtige Wirtschaftsschwäche bestehe, zersplittere. Der Schwarm der Probleme schütze das einzelne vor der Lösung. Es sei an der Zeit, mit einer abgestimmten, auf mehr Leistungsfähigkeit zielenden Agenda an die zahlreichen Reformaufgaben heranzugehen. Aus politökonomischer Sicht seien Wirtschaftsreformen ein undankbares Geschäft, denn häufig kämen die Reformer nicht mehr in den Genuss ihrer Erfolge, weil sie wegen der anfänglichen Mühen vorher abgewählt würden.

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ifo Institut, München, 2024