Aufsatz in Zeitschrift

Abschluss der Pflegereform: Ist die Pflegeversicherung zukunftsfest?

Stefan Greß, Klaus Stegmüller, Sabine Strüder, Dörte Heger, Thomas Gerlinger
ifo Institut, München, 2017

ifo Schnelldienst, 2017, 70, Nr. 05, 03-15

Zum Jahresbeginn 2017 wurde mit der zweiten und dritten Stufe des Pflegestärkungsgesetzes nach langjähriger Diskussion die bisher umfassendste Reform der sozialen Pflegeversicherung umgesetzt. Stefan Greß und Klaus Stegmüller, Hochschule Fulda, sehen in der Neufassung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs einen Meilenstein bei der Entwicklung der Pflegeversicherung. Die Reform weise aber auch Schwachstellen auf: Insbesondere der bereits aktuelle und in Zukunft weiter steigende Fachkräftemangel in der Pflege sowie die unzureichende Entlohnung von Pflegekräften würden in der Pflegereform nicht oder allenfalls am Rande thematisiert. Auch Sabine Strüder, Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz e.V., ist der Meinung, dass mit den Reformen der Pflegeversicherung der Gesetzgeber umfassende Änderungen vorgenommen habe, die insgesamt zu umfangreichen Leistungsverbesserungen für Pflegebedürftige und deren Angehörige, insbesondere in der ambulanten Pflege, führen. Gravierende Problem seien aber weiterhin die Sicherung der Fachkräfte in der Pflege und die nachhaltige Finanzierung der Pflegeversicherung. Es stellte sich die Frage, ob das bisherige Umlageverfahren durch ein Kapitaldeckungsverfahren ersetzt und ob die bisherige Trennung in eine soziale und eine private Pflegeversicherung beibehalten werden soll. Nach Ansicht von Dörte Heger, RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Essen, ist die größte Herausforderung für die Pflegeversicherung weiterhin der demographische Wandel, besonders wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Deutschland in das Rentenalter kommen und damit nicht nur die Zahl der Pflegebedürftigen weiter steigt, sondern auch die Zahl der Beitragszahler zurückgeht. Zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit seien Prävention und die konsequente Umsetzung des Prinzips »Rehabilitation vor Pflege« wichtige Stichworte. Zusätzlich müsse aber auch in der Pflege die Produktivität gesteigert werden. Dazu können neue Innovationen sowie ein verstärkter Technikeinsatz beitragen. Für Thomas Gerlinger, Universität Bielefeld, wurden mit der Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des dazu gehörenden Begutachtungs-Assessments längst überfällige Maßnahmen zur Erweiterung des Leistungsempfängerkreises und der Ermittlung ihres Versorgungsbedarfes ergriffen und damit ein wichtiger Schritt zur Anpassung des Leistungsrechts an aktuelle und künftige Bedarfe vollzogen. Die Große Koalition habe aber auf eine strukturelle Stärkung der Einnahmeseite, vor allem auf die Einführung einer Bürgerversicherung zur Dämpfung künftiger Beitragssatzanhebungen, verzichtet. Der neu eingerichtete Pflegevorsorgefonds sei hierfür kein geeignetes Instrument.

Schlagwörter: Pflegeversicherung, Pflegereform, Pflegefinanzierung, Pflegeberufe, Langzeitpflege
JEL Klassifikation: I130, I110, I180, J310

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ifo Institut, München, 2017