Aufsatz in Zeitschrift

Leitzinssenkung auf historischem Allzeittief: Welche Folgen hat die Niedrigzinspolitik der EZB?

Michael Schubert, Sebastian Watzka, Jörg Hinze, Leon Leschus, Gunther Schnabl
ifo Institut, München, 2012

ifo Schnelldienst, 2012, 65, Nr. 16, 3-19

Die Europäische Zentralbank hat im Zuge der Finanzkrise und der sich verschlechternden realwirtschaftlichen Entwicklung im Euroraum die Leitzinsen auf ein historisches Allzeittief gesenkt. Welche Risiken birgt die Niedrigzinspolitik? Nach Ansicht von Michael Schubert, Commerzbank AG, Frankfurt am Main, können mit dem Niedrigzins die Ursachen der Krise, die ausufernden Staatsdefizite und die strukturellen Probleme in den Peripherieländern, nicht bekämpft werden. Er helfe allenfalls, bestimmte Symptome zu dämpfen. Sebastian Watzka, Ludwig-Maximilians-Universität München, sieht derzeit keine besonders große Gefahr für den deutschen Finanzmarkt und die Realwirtschaft von dem exzessiv niedrigen Zinsniveau ausgehen. Im Gegenteil, die derzeitige Finanzmarktlage, bei drohender Gefahr einer Rezession für den Euroraum, sei geprägt von der Suche nach der vermeintlich sicheren Anleihe. Trotzdem müsse genau beobachtet werden, wie sich Vermögenswerte und Risikoaufnahme in Zukunft entwickeln werden. Für Jörg Hinze und Leon Leschus, Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut, sind Befürchtungen, die expansive Geld- und Fiskalpolitik könnten zu Inflation führen, angesichts der rezessiven Rückschläge in vielen Ländern im Moment nicht gerechtfertigt. In der Eurozone werde vielmehr über Deflationsrisiken und die Notwendigkeit von neuen Wachstumsprogrammen bzw. stimulierenden Maßnahmen diskutiert. Für Gunther Schnabl, Universität Leipzig, ist die geldpolitische Krisentherapie von heute die Ursache für die Krise von morgen. Immer neue, immer größere Liquiditätsspritzen werden nötig, da die Folgen des graduellen Absenkens des Weltzinsniveaus nicht auf die Finanzmärkte beschränkt bleiben, sondern ein Anreiz für steigende Staatsverschuldung, mit nachhaltigen Rückwirkungseffekten auf die Geldpolitik entsteht.

Schlagwörter: Zinspolitik, Geldpolitik, Finanzmarkt, Finanzmarktkrise, Euromarkt, Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, Eurozone
JEL Klassifikation: E580,F340,G010

Enthalten in Zeitschrift bzw. Sammelwerk

Zeitschrift (Einzelheft)
ifo Institut, München, 2012