Aufsatz in Zeitschrift

Schuldenkrise der Euro-Peripherieländer: Wie sollte die Restrukturierung der Schulden geregelt werden?

Christian Kirchner, Ansgar Belke, Christoph Degenhart, Joachim Wieland
ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München, 2011

ifo Schnelldienst, 2011, 64, Nr. 11, 03-16

Die Schuldenkrise hat die Euro-Peripherieländer erfasst. Christian Kirchner, Humboldt-Universität zu Berlin, sieht durchaus Möglichkeiten einer geordneten Schuldenrestrukturierung. Für öffentliche Gläubiger komme dafür das Verfahren des Pariser Clubs, für private Gläubiger ein weiter zu entwickelndes Verfahren des Londoner Clubs in Betracht. Die Europäische Union habe die Aufgabe, solche Verfahren zu gestalten. Die zweite Hilfe könnte dann darin bestehen, den betreffenden Schuldnerstaat in die Lage zu versetzen, solche Konditionen für den Umtausch von Altanleihen in Neuanleihen anzubieten, dass sich für die Gläubiger die Annahme des Angebots günstiger darstelle als die Ist-Situation. Ansgar Belke, Universität Duisburg-Essen, sieht in dem dauerhaften Rettungsmechanismus (ESM) einen Teufelskreis. Die ständige Aufstockung der Ressourcen für die Unterstützung der finanzschwachen Länder könnte als Signal verstanden werden, dass immer größere Anteile der Verluste auf die privaten Halter von Staatsanleihen längerer Laufzeit überwälzt werden. Denn der kürzlich beschlossene ESM genieße einen bevorrechtigten Gläubigerstatus, der nur dem IWF nachgeordnet sei. Dies sei für sich genommen ein starkes und entscheidendes Signal für die privaten Gläubiger, die sich im Insolvenzfall am Ende der Warteschlange befinden. Private Gläubiger würden so immer zögerlicher Kredite an die notleidenden Euroländer vergeben, eine Refinanzierung der Staaten über den Markt sei auf Dauer ausgeschlossen. Christoph Degenhart, Universität Leipzig, befürchtet, dass der ESM einen weiteren und vermutlich irreversiblen Schritt hin zu einer quasi-föderalen Einstands- und Haftungs- und letztlich auch Transfergemeinschaft bedeutet. Diese wesentliche Umgestaltung der Union dürfe aber nicht im vereinfachten Verfahren der Vertragsänderung beschlossen werden; und auf keinem Fall dürfe sich die Mitwirkung des Parlaments auf die Errichtung des ESM beschränken, vielmehr seien zwingende und konstitutive Parlamentsvorbehalte für dessen Aktivierung vorzusehen. Joachim Wieland, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, sieht in der Schuldenkrise mehrerer Länder der Eurogruppe eine Krise des Euro. Sie könne nur durch gemeinsame Anstrengungen aller Länder der Eurogruppe und Hilfe von außen, insbesondere seitens des Internationalen Währungsfonds, bewältigt werden. Mit der Einführung des Euro sei zwischen den Mitgliedstaaten der Eurogruppe ein Verhältnis der Nähe in Form einer währungspolitischen Schicksalsgemeinschaft geschaffen worden, aus dem sich Pflichten zu einer stabilen Haushaltspolitik, aber auch zur Hilfe in außergewöhnlichen Notlagen ergeben. Die geplante Schaffung des ESM könne die notwendige unionsrechtliche Grundlage für eine dauerhafte Sicherung der Stabilität des Euro liefern. Deutschland könne sich laut Verfassung am ESM beteiligen, wenn dieser mit verfassungsändernder Mehrheit eingeführt werde und wenn wesentliche Entscheidungen des Stabilitätsmechanismus nur mit Zustimmung des Bundestages ergehen könnten.

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Zeitschrift (Einzelheft)
ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München, 2011
in: ifo Schnelldienst, 2011, 64, Nr. 11