Aufsatz in Zeitschrift

Bildungs-Card: Richtige Antwort auf das Urteil zu den Hartz-IV-Regelsätzen?

Ursula von der Leyen, Christine Haderthauer, Gerd Landsberg, Axel Plünnecke, Holger Bonin
ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München, 2010

ifo Schnelldienst, 2010, 63, Nr. 18, 03-17

In seiner Entscheidung vom 9. Februar 2010 hat das Bundesverfassungsgericht eine Neugestaltung der Regelsätze in der Grundsicherung für Arbeitssuchende gefordert. Die Regelleistungen für Kinder und Jugendliche müssen in Zukunft nicht mehr von den Leistungen für Erwachsene abgeleitet, sondern eigenständig berechnet werden, und Kinder und Jugendliche haben einen Rechtsanspruch auf Bildungsförderung. Kann eine Bildungs-Card gewährleisten, dass diese Leistungen den Kindern und Jugendlichen zugutekommen? Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Arbeit und Soziales, erläutert ihr Konzept: »Ein elektronisches Zahlungs- und Verrechnungssystem erteilt keine Lernförderung, gibt nicht das warme Mittagessen in der Schule aus und macht aus keinem Einzelgänger einen Teamplayer im Sportverein. Aber die elektronische Bildungskarte sichert die unbürokratische Abrechnung. Sie ist ein Instrument, das die Unterstützung der Gesellschaft direkt zum Kind bringt.« Und die Bildungskarte lässt sich flexibel an kommunale Strukturen anpassen. Christine Haderthauer, Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen des Freistaats Bayern, widerspricht dieser Auffassung. Für sie bringt ein Gutscheinsystem »unser Land familienpolitisch nicht weiter, weil es zu einer Spaltung der Familien in unserem Land führen kann. Es könnte einen Graben ziehen, und zwar zwischen denjenigen, die frei und selbstverantwortlich für ihre Kinder sorgen können, und denjenigen, die durch ein Chipkartensystem als ›schwarze Schafe‹, die nicht mit Geld umgehen können, gebrandmarkt sind.« Gerd Landsberg, Deutscher Städte- und Gemeindebund, erläutert den Vorschlag des DStGB. Danach sollten die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV-Regelsätzen für Kinder nicht durch höhere Geldleistungen, sondern durch sog. Teilhabepakete ähnlich der von Bundesarbeitsministerin von der Leyen vorgeschlagenen Bildungskarte umgesetzt werden. Der Gesetzgeber sollte sich auf die Aufgabe konzentrieren, die Bedarfe der Kinder, insbesondere für die Teilnahme am Schulleben und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, zu bewerten und sicherzustellen. Auch Axel Plünnecke, Institut der deutschen Wirtschaft Köln, sieht Vorteile der Bildungs-Card: »Finanzielle Transfers helfen Kindern mit besonderem Förderbedarf allerdings weniger als Unterstützungs und -Aufklärungsmaßnahmen. Daher ist der Aufbau einer solchen Unterstützungsinfrastruktur (Familienhebammen, Familienzentren, Krippen) wichtig. Die Bildungs- Card ergänzt diesen Infrastrukturausbau und sorgt dafür, dass der Auftrag des Verfassungsgerichts zielführend umgesetzt wird.« Für Holger Bonin, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Mannheim, ist die Bildungs-Card der grundsätzlich richtige Ansatzpunkt. Mit dem Ziel der Förderung der kognitiven und nicht-kognitiven Entwicklung von Kindern aus benachteiligten, vielfach bildungsfernen Elternhäusern erscheine sie als ein Element eines sich abzeichnenden sozialpolitischen Paradigmenwechsels.

Schlagwörter: Bildungsfinanzierung, Bildungschancen, Jugendliche, Sozialpolitik, Familienpolitik, Langzeitarbeitslosigkeit, Deutschland, Bildungskarte
JEL Klassifikation: I210,I280,J130

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Zeitschrift (Einzelheft)
ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München, 2010