Aufsatz in Zeitschrift

Krise der Wirtschaftswissenschaften: Braucht die VWL eine Neuausrichtung?

Lutz Arnold, Olaf Hübler, Peter Oberender, Alexander Karmann, Andreas Bühn
ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München, 2009

ifo Schnelldienst, 2009, 62, Nr. 14, 03-15

In den vergangenen Jahren hat sich das Verständnis der Volkswirtschaftslehre ge-wandelt. Bis in die siebziger Jahre dominierte die Wirtschaftspolitik, die sich auch als Berater außerhalb der Universitäten verstand. Dann schwappte von den USA die Mathematisierung der Volkswirtschaftslehre nach Deutschland über und ergriff gan-ze Universitäten. Das Fach Wirtschaftspolitik wurde ins Abseits gedrängt. Welchen Beitrag leistet die moderne Volkswirtschaftslehre zum Verständnis aktueller wirt-schaftspolitischer Probleme? Lutz Arnold, Universität Regensburg, stellt fest, dass die VWL zwar ebenso wenig gegen Fehlentwicklungen gefeit sei wie andere wissen-schaftliche Disziplinen. Aus den Tatsachen, dass nur ein kleiner Teil der aktuellen Forschung in den wirtschaftspolitisch relevanten Lehrbüchern zu finden sei und dass die Ökonomen die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise nicht prognostizierten, lasse sich aber nicht auf eine Krise der VWL schließen. Die Volkswirtschaftslehre sei vielmehr ein Theorie- und Empiriegebäude, das sich über die Jahrzehnte entwickelt habe und weiter entwickelte. Olaf Hübler, Universität Hannover, weist den Vorwurf, die Ökonomik könne keinen relevanten Beitrag zur Vorhersage, Erklärung und Beseitigung der Krise liefern, da die ökonomische Theorie zu stark mathematisiert sei und menschliches Verhalten nur mangelhaft berücksichtige, zurück. Eine Krise der Wirtschaftswissenschaft herbeizureden, wäre, seiner Ansicht nach, genau das Falsche. Man solle weiter auf dem eingeschlagenen Weg vorangehen, d.h. Theorie und Empirie zur gegenseitigen Befruchtung miteinander verbinden: »Measurement without theory ist … genauso nutzlos wie eine Theorie, die sich empirischer Überprüfung entzieht. Heterogene Verhaltensweisen und Institutionen sind noch stärker als bisher in die modelltheoretische Analyse zu implementieren. Die Anreizwirkungen, die von Gesetzen, Vereinbarungen und historisch gewachsenen Gegebenheiten ausgehen, sind noch genauer zu untersuchen.« Für Peter Oberender, Universität Bayreuth, ist es wichtig, die Internationalität der deutschen Volkswirtschaftslehre zu stärken. Gleichwohl sei eine Fundierung ordnungsökonomischer Analyse in den Kontext der ideengeschichtlichen Entwicklung und auch in der Auseinandersetzung unterschiedlicher ökonomischer Denkschulen nicht rein philosophischer »Ballast«, sondern könne hilfreiche Orientierungspunkte für die Auseinandersetzung mit den Grenzbereichen der ökonomischen Analyse geben. Es gelte einen Methodenpluralismus als »Stärke der eigenen Disziplin zu begrüßen.« Und Alexander Karmann und Andreas Bühn, Technische Universität Dresden, fordern, dass die begonnene Öffnung der volkswirtschaftlichen Forschung in Deutschland konsequent fortgeführt werden solle. Ziel müsse es sein, die deutsche Volkswirtschaftslehre an international übliche Standards heranzuführen.

Schlagwörter: Wirtschaftsstudium, Volkswirtschaft, Wirtschaftswissenschaftliche Hochschule, Krise, Deutschland
JEL Klassifikation: A200

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ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München, 2009