Aufsatz in Zeitschrift

Reform der Agenda 2010: Notwendige Korrekturen oder Rückschritt?

Erwin Huber, Michael Hüther, Klaus Brandner, Otto Kentzler, Thomas K. Bauer
ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München, 2007

ifo Schnelldienst, 2007, 60, Nr. 23, 03-19

Einführung von Mindestlöhnen, Reform bei der Arbeitslosenversicherung: Hat die Bundesregierung in diesem Sommer eine reformpolitische Wende vollzogen, oder sind dies notwendige Korrekturen bei der Fortsetzung der Agenda-Politik? Für Erwin Huber, Vorsitzender der CSU und bayerischer Finanzminister, hat die Reformagenda 2010, einen Beitrag zum gegenwärtigen Aufschwung geleistet, aber sie war »Stückwerk«, da sie sich auf den Arbeitsmarkt konzentrierte. Deshalb sei es entscheidend, sie durch weitere Reformschritte auf anderen Gebieten fortzuführen. Kein gutes Zeichen sei, dass sich die SPD mittlerweile von der Schröderschen Reformagenda mehr und mehr distanziere. Auch Michael Hüther, Institut der deutschen Wirtschaft Köln, befürchtet, dass die Bundesregierung in diesem Sommer eine reformpolitische Wende eingeläutet hat, anstatt die Reformagenda konsequent weiterzuentwickeln. So ignoriere die Politik, vor allem mit dem Vorhaben der Einführung von flächendeckenden branchenbezogenen Mindestlöhnen und der Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I für ältere Arbeitnehmer, völlig die empirisch belegten Zusammenhänge. Klaus Brandner, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, unterstreicht, dass die Agenda-Politik wirke und mehr Menschen in Arbeit bringe. Die Korrekturen seien notwendig gewesen und im Einklang mit den Zielen der Reformpolitik, möglichst alle Menschen an der wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben zu lassen sowie ihnen zu ermöglichen, eine Beschäftigung zu finden, und zwar »eine gute Arbeit«, die fair und angemessen bezahlt und rechtlich abgesichert ist. Für Otto Kentzler, Zentralverband des Deutschen Handwerks, dagegen widersprechen die jüngsten Beschlüsse der Regierung dem Geist der Agenda 2010. Er warnt davor, die auf den Weg gebrachten Strukturveränderungen – insbesondere die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II als auch die Reformen in der Arbeitslosenversicherung – zum Gegenstand sozialpolitischer Profilierung zu machen. Thomas Bauer, Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung, Essen, kann es zwar verstehen, dass man »bei vollen Kassen einer wichtigen Wählerklientel Geschenke macht. Sowohl aus arbeitsmarkt- als auch aus ordnungspolitischer Sicht muss jedoch die Entscheidung, die mögliche Bezugsdauer von Alg I für Ältere zu verlängern, als Fehlentscheidung eingestuft werden. ... Denn aller Voraussicht nach schadet man mit dieser Entscheidung gerade denjenigen, denen man mehr soziale Gerechtigkeit zukommen lassen möchte.«

Schlagwörter: Mindestlohn, Arbeitslosenversicherung, Reform, Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Finanzpolitik, Arbeitsmarkt, Arbeitslosigkeit, Deutschland
JEL Klassifikation: J210,J650

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ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München, 2007