Aufsatz in Zeitschrift

Nach dem EU-Gipfel in Brüssel: Wie sieht die Zukunft Europas aus?

Werner Weidenfeld, Wolfgang Wessels, Verena Schäfer, Andreas Maurer
ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München, 2007

ifo Schnelldienst, 2007, 60, Nr. 15, 03-12

Am 21. und 22. Juni 2007 trafen sich die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Das Ergebnis des 35-stündigen Verhandlungsprozesses bewertet Werner Weidenfeld, Centrum für angewandte Politikforschung, Universität München, durchaus positiv. Seiner Meinung nach wurde mehr erreicht als viele erwartet hatten. Europa habe es noch einmal geschafft, nicht in den Abgrund des Scheitern zu stürzen, in den es während des Gipfels mehrfach habe blicken müssen. Im Vergleich zum geltenden Vertrag von Nizza sei die demokratische Legitimation und Handlungsfähigkeit erheblich gestärkt sowie weltpolitisches Handeln ermöglicht worden. Dafür habe die deutsche Ratspräsidentschaft eine feste Grundlage geschaffen. Wolfgang Wessels und Verena Schäfer, Universität zu Köln, sehen die Ergebnisse skeptischer. In dem Textentwurf für den Reformvertrag werde ein »doppeltes Dilemma« der Mitgliedstaaten deutlich, das von Beginn an den Ausbau des EU-Systems geprägt habe. Als »Ebenendilemma« könne man die Situation bezeichnen, dass nationalstaatliche Probleme nur durch die Übertragung von nationalstaatlichen Zuständigkeiten bzw. die Abgabe der De-jure-Souveränität an die europäische Ebene zu lösen seien. Das »Entscheidungsdilemma« bestehe darin, dass eine effiziente Problemlösung auf europäischer Ebene mit der Abgabe von nationalstaatlicher Handlungsautonomie verbunden sei. Auch dieser Reformvertrag biete keine eindeutige Antwort auf die Frage nach der Zukunft Europas im Sinne einer »klar formulierten Finalität«. Für Andreas Maurer, Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin, deutet vieles auf verstärkte Flexibilisierungs-, aber auch Fragmentierungstendenzen hin. Zusätzlich werden die »Abdriftungstendenzen« einiger EU-Mitgliedstaaten durch die eingetretene Schwächung der Europäischen Kommission noch verstärkt.

Schlagwörter: Verfassungsreform, Europäische Integration, Wirtschaftsunion, Europapolitik, EU-Staaten
JEL Klassifikation: D740,D780,D860,H730

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Zeitschrift (Einzelheft)
ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München, 2007