Aufsatz in Zeitschrift

Wirtschaftsreformen in Osteuropa : gibt es Lehren aus den Schwellenländern?

Diana Brand
ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München, 1990

in: ifo Schnelldienst, 1990, 43, Nr. 07, 23-31

Anhand theoretischer Überlegungen und empirischer Erfahrungen wird gezeigt, wie die Liberalisierung außenwirtschaftlicher Beziehungen als integraler Bestandteil eines umfassenden Reformprozesses optimal erfolgen müßte. Die vorherrschende Meinung, daß der Kapitalverkehr erst nach dem Güterverkehr geöffnet werden sollte, wurde durch empirische Erfahrungen in lateinamerikanischen Ländern bestätigt. Aus diesen Beispielen können drei nützliche Lehren gezogen werden. Erstens sind Liberalisierungsbemühungen zum Scheitern verurteilt, wenn die institutionellen Rahmenbedingungen im Inland nicht vorhanden sind. Zweitens sind Fehler der Wirtschaftspolitik besonders verhängnisvoll, sobald die Märkte liberalisiert sind. Wird die Glaubwürdigkeit der Reformmaßnahmen beeinträchtigt, so ist der Erfolg des gesamten Liberalisierungsprozesses gefährdet. Angesichts möglicher destabilisierender Kapitalbewegungen kann es sich drittens als riskant erweisen, wenn der Kapitalverkehr zu schnell nach der Öffnung des Außenhandels liberalisiert wird.Die Übertragung der theoretischen Überlegungen auf die sozialistischen Planwirtschaften Osteuropas (ohne DDR) hat gezeigt, daß der Reformprozeß dort komplexer und langwieriger ist als in Ländern, in denen marktwirtschaftliche Funktionsmechanismen jedenfalls grundsätzlich vorhanden sind. Da die institutionellen und juristischen Voraussetzungen, die für einen reibungslosen Ablauf der beschriebenen Reformschritte erforderlich sind, in den RGW-Staaten noch größtenteils fehlen, muß die Liberalisierung zunächst vor allem als ein qualitativer Prozeß verstanden werden (im Sinne der ersten der oben genannten drei Lehren). Erst wenn die Voraussetzungen für das Funktionieren marktwirtschaftlicher Allokationsmechanismen geschaffen sind, ist auch ein

Schlagwörter: Wirtschaftsreform, Schwellenländer, Planwirtschaft, Außenwirtschaft, Kapitalverkehrspolitik, Güterverkehr, Wohlfahrtstheorie, Außenhandelsverlust, Wirtschaftliche Anpassung, Argentinien