Aufsatz in Zeitschrift

Altersarmut statt Altersvorsorge: Was läuft falsch, und welche Reformen sind für ein zukunftsfähiges Rentensystem nötig?

Lars P. Feld, Anabell Kohlmeier, Christoph M. Schmidt, Peter Hanau, Dirk Kiesewetter, Jochen Pimpertz, Martin Werding
ifo Institut, München, 2016

ifo Schnelldienst, 2016, 69, Nr. 12, 03-20

Das Niveau der Rentenauszahlungen sinkt kontinuierlich. Die betriebliche und die geförderte Privatvorsorge reichen nicht aus, um die Versorgungslücke zu füllen. Experten warnen vor einer zunehmenden Armutsgefährdung im Alter. Nach Ansicht von Lars P. Feld, Anabell Kohlmeier und Christoph M. Schmidt, Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, ist Altersarmut glücklicherweise heute kein gesellschaftlich relevantes Problem. Auch hätten die Reformen in der Gesetzlichen Rentenversicherung insgesamt dazu beigetragen, die finanzielle Stabilität dieses Systems mit vergleichsweise moderaten Beitragssatzerhöhungen zumindest bis zum Jahr 2029 zu sichern. Dies gelte allerdings nur dann, wenn sie Bestand haben und nicht unterlaufen werden, wie dies mit der Mütterrente und der Rente mit 63 Jahren für langjährig Versicherte im Jahr 2014 bereits geschehen sei. In den kommenden Jahren sei allerdings mit einem weiteren Anstieg der Anzahl der Empfänger der Grundsicherung im Alter zu rechnen. Insbesondere die mangelhafte Integration in den Arbeitsmarkt treibe das Altersarmutsrisiko. Peter Hanau, Universität zu Köln, nennt die Bedingungen, damit eine betriebliche Altersversorgung zu einer tragenden Säule der Alterssicherung werden kann. Dirk Kiesewetter, Universität Würzburg, sieht in einer überbetrieblichen Altersvorsorge »die letzte Chance für eine marktwirtschaftliche Lösung«. Jochen Pimpertz, Institut der deutschen Wirtschaft Köln, meint, dass die aktuelle Debatte am Kern des Problems vorbei ziele. Das Problem der Armutsgefährdung im Alter lasse sich ursächlich nur auf dem Arbeitsmarkt lösen und nicht im System der Alterssicherung. Deshalb solle man sich bei den Reformvorschlägen vor allem auf Hilfe für die Personen mit einer dauerhaft unterbrochenen Erwerbsbiographie konzentrieren. Gleichwohl bestehe Nachsteuerungsbedarf in der Gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne einer Fortführung des eingeschlagenen Reformpfads. Auch wenn es wenig populär klinge, für die Gesetzliche Rentenversicherung gelte die einfache Gleichung, dass die jüngeren Versicherten für einen gleichwertigen Rentenanspruch länger arbeiten müssen als die vorausgegangenen Kohorten. Martin Werding, Ruhr-Universität Bochum, sieht das Risiko einer wachsenden Altersarmut, das aber nicht dramatisiert werden sollte. Als wirksame und dauerhaft finanzierbare Ansätze zur Vermeidung dieses Risikos ergeben sich aus Werdings Sicht zum einen die laufende Heraufsetzung der Regelaltersgrenze innerhalb des Rentensystems und zum anderen der Ausbau der ergänzenden Altersvorsorge in einer betrieblichen oder privaten Säule.

Schlagwörter: Gesetzliche Rentenversicherung, Altersvorsorge, Altersarmut, Politische Reform
JEL Klassifikation: H550, J260

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ifo Institut, München, 2016